100 Jahre
Sternwarte Sonneberg
Letzten Endes ist nicht die Größe der Hilfsmittel,
sondern der treibende Geist entscheidend für den Erfolg
Mit diesen Worten am Ende der Denkschrift zur Verlegung der Sternwarte aus der Stadt auf den Erbisbühl an das Thüringer Ministerium für Volksbildung von Cuno Hoffmeister kann man vielleicht den Beginn der Sternwarte Sonneberg auf dem Erbisbühl datieren. Diese Denkschrift stellt somit den Auftakt für die Errichtung der heutigen Sternwarte dar und markiert den ersten Schritt in einem Prozess, der eng mit Hoffmeisters Vision und Engagement verbunden ist.
Bereits seit einigen Jahren betrieb Cuno Hoffmeister eine private Sternwarte in der damaligen Robertstraße 7 (heute Cuno-Hoffmeister-Straße). Die dortigen Arbeiten wurden in den Jahresberichten von 1921 bis 1924 dokumentiert und sind ebenfalls hier zu finden um Ihnen einen Eindruck von der Arbeit Cuno Hoffmeisters zu geben.
Ab Oktober 1924, dem Zeitpunkt der Denkschrift, wollen wir die Entwicklung der Sternwarte Sonneberg detaillierter verfolgen und Cuno Hoffmeister auf seinem Weg begleiten. Wir werden hier kleine Schritte, aber auch Meilensteine und Etappen bis zur Eröffnung der Sternwarte am 28. Dezember 2025 vorstellen.
Die Beobachtungen wurden nur in der ersten Jahreshälfte planmäßig durchgeführt. Der Ort des Kometen 1922 b wurde an 6 Tagen bestimmt. Im übrigen war meine Tätigkeit vorwiegend rechnerischer Art. Viel Zeit beanspruchte die Berechnung der Bahn des Meteors vom 17. August 1921, führte aber auch zu guten Ergebnissen. Gegen das Jahresende habe ich in gleicher Weise den rheinländischen Meteoritenfall vom 1. Juli 1920 und die Feuerkugel vom 17. Juli 1920 behandelt. Weitere Rechnungen betrafen die Leuchterscheinung vom 8. August 1921 sowie eine größere Reihe kurzperiodischer veränderlicher Sterne. Für die Enzyklopädie der mathematischen Wissenschaften bearbeitete ich einen Abschnitt über die Beziehungen zwischen Sternschnuppen und Kometen. Literaturstudien zu diesem Zweck veranlaßten mich im September zu einem zehntägigen Aufenthalt am Astrophysikalischen Observatorium in Potsdam. Von Mitte November ab wurde ein hiesiger Oberprimaner als Hilfsarbeiter beschäftigt, vorwiegend mit der Anfertigung von Auszügen aus älteren Beobachtungsbüchern. Vom 1. Juli 1922 versehe ich den Gewitterdienst für das Preußische Meteorologischeninstitut.
Die Herausgabe eigener Mitteilungen der Sternwarte konnte verwirklicht werden. Bis zur Gegenwart sind 4 Hefte erschienen und an die verwandten Institute versandt worden. Vorgreifend sei bemerkt, daß im Jahre 1923 die Stiftung eines ausländischen Freundes der Astronomie zur Deckung der Druckkosten herangezogen werden konnte. Wesentlich gehoben hat sich der Eingang von Veröffentlichungen anderer Sternwarten, hauptsächlich vom Ausland. Ich benutze die Gelegenheit zu einer erneuten Bitte um Schriftenaustausch an jene Institute, die eigene Veröffentlichungen herausgeben und meinem Wunsche bisher nicht entsprochen haben. Einige kleinere Arbeiten erschienen in den Astronomischen Nachrichten. Als Ergänzungsheft, Bd. 4 Nr. 5, wurden gedruckt meine „Untersuchungen zur astronomischen Theorie der Sternschnuppen“, worin ich den Nachweis führen konnte, daß die kleinen Meteore sich gleich den großen in weitaus überwiegender Zahl in stark hyperbolischen Bahnen bewegen und daher interstellarer Herkunft sind. Eine Weiterführung dieser Arbeit hoffe ich im laufenden Jahr in Angriff nehmen zu können.
Am 14. Oktober 1922 verschied unerwartet mein Vater,
Carl Hoffmeister. Er war zeitlebens ein warmherziger Freund der Naturwissenschaft, und ich verdanke seinem praktischen Sinn und seiner Organisationsgabe viele gute Ratschläge beim Ausbau der Sternwarte. Ich gedenke seiner hier als eines Mannes, der nur durch äußere Umstände und vielleicht durch das Fehlen einer kräftigen Anregung seinem wahren, auf wissenschaftlichem Gebiet liegenden Beruf verlorengegangen ist.
Der handschriftliche Nachlaß des im Jahre 1919 verstorbenen österreichischen Meteorforschers Hofrat Gustav v. Nießl wurde mir durch Vermittlung des Herrn Prof. Thomas in Wien zugeführt. Unter anderem fand sich darin ein Katalog aller bisher berechneten Bahnen großer Meteore, etwa 500 Fälle umfassend. Leider besteht zunächst keine Aussicht, dieses Werk zum Druck zu bringen.
Cuno Hoffmeister.
Mit der Leitung des Bambergwerks in Friedenau wurde verhandelt wegen Lieferung eines Mikrophotometers nach Hartmann für die begonnenen photographisch-photometrischen Untersuchungen an raschwechselnden δ Cephei-Sternen. Zur Zeit der Abfassung dieses Berichts war das Instrument noch nicht fertiggestellt. Auch bereitet die Finanzierung des Planes erhebliche Schwierigkeiten.
Die Bibliothek erfuhr, außer durch zahlreiche Zusendungen der Veröffentlichungen verwandter Institute, eine beträchtliche Erweiterung durch Ankauf aus dem Nachlaß von Geheimrat Hartwig in Bamberg. Mit der Herstellung eines Verzeichnisses wurde begonnen.
Die Beobachtungen waren bis zum Juli durch das Fehlen des Instruments behindert. Neben der planmäßigen Verfolgung veränderlicher Sterne wurden einige photometrische Sternfolgen, insbesondere die Nordpolarfolge, vielfach und mit verschiedenartigen Instrumenten durchbeobachtet zwecks einer Untersuchung über das Verhalten des Stufenwertes unter verschiedenen Bedingungen. Die Mikrometerbeobachtungen beschränkten sich auf mehrere Bestimmungen des Schraubenwertes. Die systematischen Beobachtungen der Sternschnuppen wurden in mäßigem Umfang fortgesetzt. In den letzten Monaten wurden mehrfach Aufstellungsbeobachtungen und Fehlerbestimmungen an dem neuen Instrument vorgenommen, auch einige Probeaufnahmen mit der großen Kamera gemacht. Die planmäßige Arbeit dieser Art konnte indessen erst beginnen, nachdem das Uhrwerk ersetzt war. :
Zwei umfangreiche Untersuchungen beschäftigten mich während langer Zeit. Die eine befaßt sich mit der Gestalt der mittleren Lichtkurven der δ Cephei-Sterne und soll auf alle bekannten Sterne dieser Art ausgedehnt werden. Sie ist noch unvollendet. Die andere hatte einige grundsätzliche Fragen aus der Theorie der Sternschnuppen zum Gegenstand. Sie kam gegen das Jahresende zum Abschluß, und die Darstellung der Ergebnisse konnte im Februar 1924 druckfertig an die Astronomischen Nachrichten gesandt werden.
Im August war ich drei Wochen lang auswärts beschäftigt, zunächst mit Vermessungen bei dem Segelflug-Wettbewerb auf der Wasserkuppe in der Rhön, dann als Vortragender bei einem vom „Bund der Sternfreunde“ in Jena veranstalteten Kursus. — Die Sternwarte erhielt mehrfach den Besuch der Oberklassen des hiesigen Städtischen Lyzeums, denen die Instrumente vorgeführt und einige himmlische Objekte gezeigt wurden. Auch durch Darleihung von Apparaten konnte der Unterricht an genannter Anstalt unterstützt werden.
C. Hoffmeister.
Von 4:30 Uhr bis 6:30 Uhr am Abend unternahm Cuno Hoffmeister einen Spaziergang über den Schönberg zum Standort der zukünftigen Sternwarte, wobei die Vorteile dieses Ortes im Vergleich zu anderen Standorten erneut deutlich erkennbar wurden.
„Cuno Hoffmeister hat am Nachmittag das Stadtbauamt aufgesucht, um ein Gutachten über den Neubau der Sternwarte zu erstellen. Die Kostenschätzung beläuft sich auf etwa 10.000 Mark, wobei die Kuppel nicht berücksichtigt wurde. Daher steht der Umsetzung des Projekts voraussichtlich nichts im Wege.“
Der damalige Staatsminister Leutheußer eine Besichtigung in Sonneberg abgehalten. Zu diesem Treffen war auch der Erste Bürgermeister von Sonneberg ausdrücklich durch das Staatsministerium eingeladen worden, sodass die Stadt nun offiziell von den Plänen Kenntnis erhielt. Zu diesem Zeitpunkt war jedoch noch nicht von einer Beteiligung der Stadt die Rede, da Hoffmeister zunächst ausschließlich die Landesregierung kontaktiert hatte.“
Diese Denkschrift ist hier nur zusammengefasst, das Original umfasst 7 Seiten:
Die Sternwarte Sonneberg wurde gegründet, um wissenschaftliche Arbeiten, insbesondere zu Sternschnuppen und Feuerkugeln, weiterzuführen. Sie übernahm die Rolle der europäischen Zentralstelle für diese Forschung, wobei bereits umfangreiche Ergebnisse veröffentlicht wurden. Neben der Fortführung der bisherigen Arbeiten verlagerte sich der Forschungsschwerpunkt auf die Untersuchung des Lichtwechsels von Cephei-Sternen. Diese Arbeit wurde durch frühere Tätigkeiten in Bamberg angeregt und durch die finanzielle Unterstützung der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft ermöglicht. Mit modernen Instrumenten, insbesondere für die fotografische Photometrie, konnte die Forschung auf ein hohes Niveau gehoben werden.
Der aktuelle Standort der Sternwarte in Sonneberg ist jedoch problematisch. Lichtverschmutzung, Rauch, Erschütterungen durch Verkehr und begrenzter Platz behindern die Arbeit erheblich. Eine Verlegung der Sternwarte wurde daher notwendig. Nach eingehender Prüfung fiel die Wahl auf den Erbisbühl in Neufang, etwa 2 Kilometer nordöstlich der Stadt. Der neue Standort bietet zahlreiche Vorteile, darunter Freiheit von störenden Einflüssen, günstige meteorologische Bedingungen und eine hervorragende Sicht in alle Richtungen. Obwohl gelegentlich Nebel auftreten kann, wird dieser Nachteil durch die längeren klaren Nächte am neuen Standort mehr als ausgeglichen.
Für den Neubau der Sternwarte ist ein funktionales und kosteneffizientes Konzept vorgesehen. Geplant ist ein steinernes Beobachtungsgebäude sowie ein Holzbau für Wohn- und Arbeitsräume. Die Baukosten belaufen sich auf etwa 20.000 Mark, wobei ein Provisorium für 10.000 Mark ebenfalls denkbar wäre. Das Ziel des Projekts ist es, zu demonstrieren, wie auch mit bescheidenen Mitteln wissenschaftlich wertvolle Arbeit geleistet werden kann. Der neue Standort soll die Qualität der Arbeit steigern und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Astronomie stärken, insbesondere im Vergleich zu internationalen Einrichtungen. Die Sternwarte Sonneberg soll so ein Beispiel dafür werden, wie mit Zweckmäßigkeit und Effizienz in der Forschung Großes erreicht werden kann.
Die Carl-Zeiss-Stiftung beschließt, eine geeignete Kuppel der Sternwarte Sonneberg kostenlos zu überlassen. Das war schon ein erster, großer Erfolg!
240m relativer Höhe über der Stadt 2,5 km von der mittleren Stadt entfernt in der Nähe der eingemeindeten Ortschaft Neufang. Die baulichen Einrichtungen sollen sich auf das unbedingt Notwendige und Zweckmäßige beschränken. Zugleich stand fest, daß der bisherige private Charakter des Instituts dabei aufgegeben werden müßte. Die Anregungen fanden beim Thüringischen Ministerium für Volksbildung in Weimar günstige Aufnahme. Am 13. Oktober besichtigten Herr Staatsminister Leutheußer und Herr Oberregierungsrat Stier die Sternwarte und den für die Verlegung in Aussicht genommenen Platz und sagten die Unterstützung des Planes zu. Im Laufe der weiteren Verhandlungen wurde als das Zweckmäßigste erkannt, daß die Stadt Sonneberg mit staatlicher Beihilfe das Gebäude errichtet und dessen Eigentümerin wird. Zur Zeit der Abfassung dieses Berichtes, Ende April 1925, hat die Vorlage bereits die Billigung durch den Gemeinderat gefunden, so daß der Plan in der ihm aus finanziellen Gründen auferlegten Beschränkung voraussichtlich im Laufe des Sommers 1925 verwirklicht werden kann.
Das Instrumentarium wurde vermehrt um eine Pendeluhr, Type A 2, Nr. 488 von Clemens Riefler, die nach Sternzeit reguliert ist und dazu dienen soll, die Sekundenkontrolle der äquatorialen Montierung zu betreiben. Das im vorigen Bericht erwähnte Mikrophotometer wurde im Juni abgeliefert und von der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft übernommen, wofür auch an dieser Stelle gedankt sei. An Nebenapparaten des Hauptinstrumentes kamen hinzu ein Objektivgitter für die 170 mm Kamera und eine photographische Kassette für das visuelle Objektiv (dreiteiliger Apochromat von 135 mm Öffnung), beide eigener Herstellung. Die funkentelegraphische Empfangsanlage wurde verschiedentlich verbessert.
Im Vordergrunde der Beobachtungstätigkeit standen die photographischen Aufnahmen. Insgesamt wurden 116 Platten belichtet, davon 97 mit dem. 170 mm-Objektiv, 18 mit dem
135 mm-Objektiv und 1 mit einem 80 mm-Objektiv. Hinsichtlich des Zwecks verteilen sie sich wie folgt: 11 für Umgebungskarten langperiogischer Veränderlicher, 56 für raschwechselnde δ Cephei-Sterne, 43 für ausgewählte unregelmäßige Veränderliche, 1 für Sternschnuppen und 5 für Versuche. Die Beobachtungen der δ Cephei-Sterne erstreckten sich auf V Leonis minoris, TW Herculis, RZ Tauri und RZ Cephei und erfolgten in der Weise, daß eine Reihe von Aufnahmen nebeneinander auf derselben Platte gemacht wurden. Die genannten Sterne sind etwa 10. bis ı2. Größe. Die Belichtungszeiten der einzelnen Aufnahmen betrugen zwischen 3 und 20 Minuten. Die Platten enthalten bis zu 30 Bilder. Es besteht die Hoffnung, daß es durch Vermessung dieser Platten im Mikrophotometer gelingt, die Feinstruktur der Lichtkurven bis zu einem gewissen Grade zu entschleiern. Auf jeden Fall werden sie Aufschluß geben, ob die Kurve in verschiedenen Erscheinungen wesentlich abweichend verläuft. - Die visuellen Beobachtungen veränderlicher Sterne beschränkten sich auf die Verfolgung einiger seit langem überwachter Sterne. Mehrere der Kartenplatten wurden vermessen und die Ergebnisse als Heft 6 der „Mitteilungen“ veröffentlicht, zusammen mit einer Untersuchung der Mikrometerschraube.
Am Fadenmikrometer wurde sechsmal der Schraubenwert bestimmt und zwar durch Messung der Deklinationsunterschiede der Sternpaare δ und ε Orionis, ε und ζ Orionis, α und β Delphini, α und γ Aquilae unter Einschaltung vermittelnder Sterne. Einmal wurde der Enckesche Komet 1924 b, 15 mal der Planet 1924 TD beobachtet. Vom Kometen 1924 c (Finsler) gelang es wegen Ungunst des Wetters nur einmal, am 20. September, einen genäherten Ort durch Ablesung der Kreise zu erhalten. Ferner wurden die Orte der veränderlichen Sterne RX Monocerotis, UZ Geminorum, UV Lyrae und TV Pegasi bestimmt.
Sonstige Untersuchungen sowie auch die Bearbeitung älterer Beobachtungen konnten nicht in dem Maße gefördert werden, wie dies erwünscht gewesen wäre. Der Mangel einer Hilfskraft machte sich mehr und mehr fühlbar. Erfreulicherweise ist jetzt in dieser Hinsicht eine Änderung erfolgt. Am 1. Februar 1925 trat Herr Kurt Glaß aus Brunndöbra im Vogtland als Gehilfe der Sternwarte ein, womit zunächst eine wesentliche Entlastung des Unterzeichneten von Schreib- und einfacher Rechenarbeit erreicht worden ist. Es ist nunmehr auch die Gewähr gegeben, daß die Bearbeitung der Beobachtungen mit der Gewinnung neuen Materials Schritt halten wird.
Auch im verflossenen Jahre wurde die Sternwarte dem Unterricht hiesiger Lehranstalten dienstbar gemacht, soweit die beschränkten Raumverhältnisse und die Rücksichten auf die wissenschaftliche Arbeit es zuließen.
C. Hoffmeister.